06. September 2024
Die riesigen Wellen hören wir die ganze Nacht rauschen. Heute verlassen wir die Küste schon wieder. Kurz schauen wir noch den Surfern zu, dann biegen wir ab in Richtung Berge. Ein Pass erwartet uns. Klaus hat zwei mögliche Routen herausgesucht. Über Nebenstraßen oder auf der Nationalstraße. Wir wollen je nach Verkehrsaufkommen entscheiden. Die Alternative ist schnell gefunden. Sobald es in der Nähe eine Autobahn gibt, fährt auf der Nationalstraße keiner mehr. Gut für uns. Die Steigung bis zum Pass ist moderat. Die Straße meist dreispurig mit Seitenstreifen. Klaus schaut auf das GPS. Dort steht: Hauptstraße wie Autobahn. Unsere private Autobahn auf den Berg.
Kurz vor dem Pass kommen drei Radfahrer mit E-Mountainbikes vom Camino auf die Straße. Wer könnte es anders sein? Es sind die drei Männer von gestern auf der Brücke. Wir sind auf der Straße schneller. In einer Bar auf der Strecke treffen wir sie schon wieder, sie treffen nach uns ein. Wir trinken unseren Kaffee und bekommen den Camino-Stempel. Dann geht es weiter. Die Landschaft erinnert uns an heimatliche Gegenden. Wir könnten auch im Hunsrück sein. Fehlt auf den bewaldeten Hügeln nur noch der Erbeskopfturm. Es regnet. Dann scheint kurz die Sonne. Aprilwetter im September.
Triefnass erreichen wir unsere Pension. Eigentlich wollten wir campen. Nicht im Dauerregen. Die Unterkunft ist sehr liebevoll gestaltet. Pension Parga Natura. Mit EU-Mitteln für den ländlichen Raum gefördert. Eine sinnvolle Investition. Einige spanische Pilger übernachten hier. Abends gibt es ein leckeres vegetarisches (Pilger-)Menü. Wir essen zusammen mit einer Jakobspilgerin aus Australien. Ein netter Abend in einem sehr gemütlichen Ambiente.
Die letzten 100 km
07. September 2024
Gleich am Morgen gibt es eine Überraschung. Die Australierin aus Sydney spendet uns 50 Euro für unser Hilfsprojekt. So spontan und so nett. Pilgern öffnet die Herzen. Wir haben heute unseren letzten Pilgertag. Sabine überlegt sich oft schon während dem Rad fahren Textbausteine und Überschriften für unseren Blog. Zuerst fällt ihr ein: Wellenreiten. Denn wir fahren über viele Wellen, hoch und runter. Dann auf Nebenstraßen kurvig durch Dörfer und Wälder. Die letzten 100 km ist passender. So weit ist es heute noch bis Santiago de Compostela. Dort wo alle Pilgerwege enden. Mit dem Rad gut zu schaffen, trotz vieler Höhenmeter in hügeligem Gelände. Die Fußpilger brauchen dazu noch 4 bis 5 Tage.
20 km vor Santiago ist richtig was los. Eine Pilgerherberge neben der anderen. Die letzte Station vor der letzten Etappe, in O Pino. Hier muss jeder übernachten. Wir fahren weiter. Einige Pilger kommen uns seltsam vor. Sie tragen nur kleine Tagesrucksäcke, Handtaschen sogar nur Einkaufstüten mit sich. Keine echten Pilger. Es gibt unzählige Camino-Tour- Anbieter. Sie setzen ihre Kunden irgendwo aus und holen sie auf der Strecke mit Bussen wieder ab. Teuer und bequem. Pilgern light. Mit allem wird heute Geld gemacht. Das gleiche gibt es auch für Radfahrer. Mit E-Bike und ohne Gepäck. Wir sind froh, alles aus eigener Kraft zu schaffen.
Die letzten 20 km ziehen sich aber auch für uns zäh dahin. Erst regnet es, dann geht es wieder lange bergauf, dann über die schlechteste Straße von ganz Spanien und schließlich ohne Radwege in die Stadt hinein.
Plötzlich stehen wir vor der imposanten Kathedrale. Auf dem riesigen Platz davor Unmengen von Menschen. Vor allem Pilger. Mit Rucksack oder auch Rad. Sie liegen auf dem Boden und genießen den Blick auf ihr Ziel: die Kathedrale. Ihr Weg ist zu Ende. Wir dürfen noch weiter reisen. Wir haben gerade mal die Hälfte unserer Strecke geschafft. Am Abend bummeln wir durch die Stadt. In die Kathedrale wollen wir morgen.
Die Restaurants hier sind sehr touristisch. Wir suchen etwas authentisch Galizisches. Und finden eine kleine Bar mit zwei alten Wirten. Ein Tisch außen ist besetzt. Innen ist alles leer. Wir fragen, ob wir was essen können. Die alte Dame nimmt uns mit in die Küche und zeigt uns, was sie anbieten kann: Galizische Gemüsesuppe, Salat und Tortilla. Wir schauen in die Töpfe und bestellen. Ihre Suppe sei die beste, sagt sie. Wir bekommen ein gesundes, frisches Essen nach Hausmannskost. Und die beiden Alten freuen sich, dass es uns schmeckt und wir fürs weitere Rad fahren gestärkt sind. Wir müssen noch mehr als 100 km fahren.
Alles dreht sich ums Pilgern
08. September 2024
Schon ewig waren wir nicht mehr in einem Sonntagsgottesdienst. Die Pilgermesse in der Kathedrale um 9.30 Uhr wollen wir uns nicht entgehen lassen. Die Kirche ist voll. Alle Bänke in den drei Schiffen der romanischen Kathedrale sind besetzt. Die Messe ist sehr feierlich. Wenn auch auf spanisch. Wir schauen direkt auf den barocken Hochaltar mit der Krypta des Apostels Jakobs. Höhepunkt der Messe ist das Pendeln des großen Weihrauchkessels Botafumeiro. Wir haben Glück. Er wird nur an bestimmten Tagen und ausgewählten Messen bewegt. Und heute zufälligerweise.
Nach dem Gottesdienst bummeln wir durch die Stadt. Unsere Compostela wollen wir noch im Pilgerbüro abholen. Unsere Urkunde, die uns als echte Jakobspilger ausweist. Pilger von zuhause bis Santiago. 2915 km Strecke. Leider steht die Kilometerzahl nicht auf der Urkunde. Die letzten 200 km hätten grundsätzlich auch gereicht. Und wir sind noch nicht fertig. Wir fahren morgen doch noch in Richtung Finisterra, dem (fast) westlichen Ende Spaniens. Dann geht es den portugiesischen Jakobsweg rückwärts. Der Pilgerweg bleibt uns noch einige Zeit erhalten.





























