09. Oktober 2024
Der Sturm soll doch erst abends kommen. Wir hätten nach Algeciras fahren können. Dann aber im Sturm aufs Schiff. Oder in Algeciras übernachten. Dann ist eine weitere Nacht in Tarifa die bessere Alternative. Wir schlafen uns erstmal aus. Gemütliches Frühstück, sogar mit Bio-Frühstücksei, was für ein Luxus. Wir bummeln durch die historische Altstadt. Schon die Römer hatten hier große Festungsanlagen und Stadtmauern gebaut. Teile davon sind noch erhalten. Wir besichtigen sie.
Doch nur zum Sightseeing sind wir nicht da. Auf dem Programm stehen: Wäsche waschen, Räder putzen, Blog schreiben und vor allem die Marokko- Route planen. „Und wir sollten ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor uns hin zu schauen“, wie Astrid Lindgren einmal treffend bemerkt hatte. Das tun wir abends als der Sturm kommt. Wir sehen vom Sofa aus aufs Meer bis zum Strand. Die Wellen werden immer höher, der Wind stärker. Die vielen Kitesurfer warten wahrscheinlich schon tagelang auf solches Wetter. Bunte Drachen fegen am Strand hin und her. Wir gehen zum Strand und testen den Wind. Die Gischt spritzt auf unsere Brillen. Vor dem Regen gehen wir zurück. Nach dem Abendessen planen wir weiter. Ein Tag ohne Rad fahren ist auch mal schön.
Nach Afrika
10. Oktober 2024
Bis zur Fähre in Algeciras geht es über Berge an der Küste entlang. Wir verlassen den Atlantik. Den Ozean, dem wir seit tausenden Kilometern folgen. Das Mittelmeer sieht ruhig aus. Gut für unsere Überfahrt nach Afrika. Auf einem Pass treffen wir drei Gravelbiker aus Düsseldorf. Sie sind fast die gleiche Strecke wie wir gefahren. In Nordportugal waren sie etwas später und hatten nur Regen.
Wir sind froh, dass wir nicht in Algeciras übernachten. Es ist eine hässliche Hafenstadt mit Blick auf Gibraltar. Die Fährgesellschaft berechnet für uns beide den Pensionärspreis. Hört sich für Sabine blöd an, aber wir zahlen den halben Preis. Auch gut. Die Fähre bringt uns nach Ceuta. Der spanischen Enklave in Nord-Afrika. Seit dem 15. Jahrhundert ist diese Stadt spanisch. Und sie blieb es auch nach der marokkanischen Unabhängigkeit 1956. Große Anstrengungen, das Gebiet zu übernehmen, werden von Marokko nicht unternommen. Ceuta und Melilla haben den Status einer autonomen Stadt. Sie gehören zur EU, nicht aber zur NATO oder zum Schengen-Raum. Seit 1993 hat Ceuta einen 6m hohen und 24 km langen Grenzzaun zu Marokko, um illegale Einwanderung in die EU zu verhindern. Der Hafen, in dem wir ankommen, ist schon komplett abgeriegelt. Wir empfinden es wie eingesperrt zu sein. Auf einer Fläche von 5×8 km und ringsherum Zaun oder Meer. Leben könnten wir hier nicht. Morgen wollen wir durch den Grenzzaun nach Marokko einreisen. Heute sind wir schon in Afrika, aber morgen erst in Marokko.
Marokko der Gegensätze
11. Oktober 2024
Nur ein paar Kilometer sind es bis zur Grenze. Wir fahren über einen Radweg am Meer. Viele Spanier nutzen ihn zum Joggen. Wahrscheinlich die einzige Strecke in Ceuta. Kurz vor der Grenze ist Schluss. Wir sehen immer mehr Zäune und Stacheldraht. Und Beobachtungsposten im Niemandsland zwischen den beiden Staaten. Es erinnert uns etwas an die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Die spanischen Beamten winken uns durch. Beim marokkanischen Zoll bekommen wir unseren Stempel in den Reisepass. Wo wir hin wollen, werden wir gefragt. Bon voyage. Dann müssen wir noch zweimal anhalten. Unsere Radtaschen werden abgetastet. Dass Sabine zwei Stühle im Gepäck hat, versteht der Grenzer erst, als sie sie auspackt. Ein Polizist schaut sich unsere Karte auf der Fahne an und meint, sie sei illegal. Weil Marokko nicht ganz drauf ist. Deutschland ist auch nicht ganz drauf, nur bis St. Ingbert. Wir dürfen trotzdem einreisen. Überall stehen gepanzerte Fahrzeuge und Polizisten rum. Der Strand ist komplett abgesperrt. In den Hügeln sind total heruntergekommene Wohnsilos. Dort wohnen nur die Ärmsten.
Es fängt an in Strömen zu regnen. Marokko und Regen? Hätten wir so nicht erwartet. Wir stellen uns unter. Zusammen mit ein paar Frauen, die den Müll am Straßenrand beseitigen. Eine Frau gehört nicht dazu. Sie ist etwas besser gekleidet. Sie spricht Sabine auf Spanisch an. Sabine versteht nicht alles, nur soviel, dass sie ihr eine Geschichte von einem kranken Kind erzählt und am Ende um Geld bettelt. Wir fahren im Regen weiter. Die vierspurigen Straßen sind voller tiefer Pfützen. Wir fahren auf dem Radweg und werden immer wieder mit einem heftigen Schwall Wasser nass gespritzt. Wasser von unten und von oben.
Ein paar Kilometer hinter der Grenze wandelt sich das Bild. Wir fahren durch Palmenalleen mit grünem Gras. Mittlerweile ohne Regen. Links und rechts Luxusresorts für Badeurlauber. Hunderte Müllsammlerinnen sorgen dafür, dass alles total gepflegt aussieht. Die Palmenalleen begleiten uns bis Tetouan. Über 30 Kilometer Palmen und Rasen ohne ein einziges Unkraut. Und ein mehr oder wenig gut befahrbarer Radweg und durchgehend Beleuchtung. Damit ist in der großen Stadt Tetouan Schluss. Marokkanischer Stadtverkehr über eine vierspurige Straße und durch viele Kreisel. Puhh, das kostet Nerven. Dauernd überholt uns ein Taxi und schert genau vor uns zum Parken ein. Ausweichen ist riskant. Autofahrer haben natürlich Vorrang. In den Kreiseln fahren alle einfach rein und warten aufs Weiterfahren. Die Außenspur ist nicht befahrbar. Wir quetschen uns durch. Sie machen uns auch Platz. In der Stadt kaufen wir eine SIM-Karte für Sabines Smartphone. Klaus ist ewig in dem Laden. Sabine steht davor bei den Rädern. Die deutsche Flagge erregt Aufmerksamkeit besonders bei männlichen Jugendlichen: Allemagne, Deutschland, Germany…c’est bon… Sie strahlen Sabine an. Deutschland ist für sie das Traumland.
Weiter geht es. Endlich auf einer ruhigeren Straße aus der Stadt heraus. Hier gibt es keine Müllsammlerinnen mehr. Überall liegen Abfälle. Die Wohngegend sieht ärmlich aus. Auf der anderen Seite des Flusses sehen wir die riesige Stadt. Zuerst haben wir hier nach einer Unterkunft geschaut. Dann haben wir 15 Kilometer weiter in den Bergen die Auberge Nomad gefunden. Unser Glück. Die Stadt ist wirklich nicht schön. Kinder mit Fahrrädern folgen uns, dauernd winkt uns jemand zu. Alles wegen der Deutschland-Fahne? Houssine, der Besitzer der Auberge hat uns die Google-Koordinaten geschickt. Klaus überträgt sie ins GPS. Wir biegen von der Hauptstraße ab. Es geht steil bergauf, dann auf einen Feldweg. Wir finden keine Auberge. Ein Marokkaner will uns den Weg zeigen. Wir sollen ihm folgen. Doch scheinbar hat er uns nicht verstanden. Er zeigt uns nur den Weg zurück zur Hauptstraße. Plötzlich kommt ein Auto angebraust. Es ist Houssine, irgendjemand hat ihm gesagt, dass auf dem Feldweg zwei Radfahrer umherirren. Er zeigt uns den richtigen Weg. Seine Auberge ist noch nicht ganz fertig. Wir bekommen ein schönes Zimmer und können seinen üppig grünen Garten genießen. Wir haben eine tolle Aussicht auf die Berge. Vor zwei Jahren ist er aus dem Süden mit seiner Familie hierhergezogen. Er ist Berber. Und seine Frau kocht uns auf Berberart Tajine und Couscous. So gefällt uns Marokko. Ein schöner erster Abend.






















