12. Oktober 2024
Ein typisches Berberfrühstück serviert uns Houssine am Morgen in seinem Garten. Er serviert, seine Frau bereitet alles zu. Es ist nicht üblich, dass die Frauen Kontakt zu den Gästen haben. Schade, Sabine hätte sich gerne mal mit der hübschen Frau des Hauses unterhalten. Schon abends war sie nur in der Küche und hat beim Kochen vor sich her gesummt. Die Kinder, zwei Jungs, reden mit uns. Youssef, der Ältere lernt in der Schule Französisch und Englisch. Er hat Freude daran, für seinen Vater zu übersetzen. Nach dem Frühstück machen wir noch ein Abschiedsfoto. Die schweren Taschen fährt uns ein Onkel mit dem Pick-Up die steile Rampe bis zum Feldweg hoch. Wir haben auch ohne Gepäck Probleme, die Räder ohne auszurutschen hoch zu schieben. 25% hat die 50 m lange Rampe bestimmt.
Über den Feldweg kommen wir zur Hauptstraße. Sie ist meistens vierspurig und es ist weniger Verkehr als gestern. An einem Stausee treffen wir einen niederländischen Gravelbiker. Wildrik ist von Holland bis hierher gefahren. Ab Casablanca fliegt er zurück. Unsere heutige Stecke hat es in sich. Auf 50 km 1000 hm. Und die drei Kilometer lange Auffahrt in die blaue Stadt Chefchaouen erst recht. Mindestens 10% Steigung. Manchmal steiler und kein ebenes Stück dazwischen. In der Stadt geht es dann weiter über enge Gassen mit vielen Treppen. Deshalb haben wir ein Hotel an einer befahrbaren Straße gesucht. Als wir ankommen, ist alles geschlossen. Wir telefonieren. Der junge Host öffnet uns die schmale Eingangstür. Dahinter ist eine noch schmalere Treppe. Wie sollen wir hier die Räder hochtragen und wo sollen wir sie abstellen? Nicht vor der Tür. Der junge Mann hilft. Es gibt noch einen Hintereingang. Zwei Geschosse haben wir dann schon gespart. Und das Hotel hat eine Dachterrasse. Prima. Hier ist auch die Treppe breiter. Das ewige Fahrrad-Unterstell-Problem ist gelöst.
Hinter unserem Hotel beginnt die historische Medina von Chefchaouen. Sie erstreckt sich über einen Hügel im Rif-Gebirge und besteht aus vielen engen Gassen mit typisch marokkanischen Souvenirläden. Alle Häuser, jede Gasse, jede Treppe sind blau-weiß getüncht. Die blaue Farbe sollte ursprünglich vor dem bösen Blick schützen. Später wurde sie initiiert, um Touristen anzulocken. Und die kommen zahlreich. Auch im Oktober. Aus vielen verschiedenen Ländern, aber die meisten sind aktuell arabische Tagestouristen. In den 1960er Jahren kamen vor allem Hippies in die Stadt. Angelockt vom Haschisch-Anbau. Chefchaouen war und ist eines der Zentren des verbotenen, aber trotzdem geduldeten Anbaus. Heute kaufen die Touristen eher Kaftans, Schmuck und Nippes. Wir kaufen nichts. Schlendern trotzdem durch die Stadt und essen ein marokkanisches Menu. In der Nacht gewittert und stürmt es.
Fotoshooting und Strecke planen
13. Oktober 2024
Wir sind immer noch nicht fertig mit der Planung der weiteren Strecke bis Agadir. Heute müssen wir damit voran kommen. Doch erst mal gehen wir zum Fotografieren in die blaue Stadt. Besser gesagt auf einen benachbarten Hügel mit eine Moschee. Der schönste Aussichtspunkt auf Chefchaouen. In der Morgensonne sehen die blau-weißen Häuser aus wie auf einem Gemälde. Doch nicht alles ist schön. Erschreckend ist die Anzahl von armen Hunden und Katzen in den Gassen. Sie kämpfen alle ums Überleben. Manche Hunde liegen mitten im Weg und schlafen. Oder betteln um ein kleines Stück Essbares. Arme Kreaturen. Auch die meisten Bewohner der Medina sind arm. Alle versuchen irgendwas zu verkaufen. Sogar kleine Kinder werden losgeschickt, um kleine Kärtchen zu verkaufen, die niemand braucht. Der Gegensatz zu den Touristen ist krass. Doch ohne Touristen gar kein Einkommen.
Wir suchen einen Saftladen. Überall werden frisch gepresste Säfte aus Orangen, Granatäpfel und anderen Obstsorten angeboten. Nicht alle Stände sehen hygienisch aus. Wir finden einen Laden mit der Aufschrift Natural Juice Bio. Na denn. Wir bestellen einen Granatapfelsaft ohne Eis. Wegen der Gefahr Magenprobleme zu bekommen. Natürlich ohne Eis, bei ihm ist alles Natur, versichert uns der Saftauspresser. Es ist ein vornehmer älterer Herr. Wir kommen ins Gespräch. Eigentlich ist er Schriftsteller. Er zeigt uns seine Bücher und Urkunden mit Literaturpreisen. Und hier verkauft er Saft. Das Leben in Marokko ist nicht einfach.
Dann geht’s los mit Planen. Die Richtung und das Ziel sind klar. Doch welche Straßen wählen wir, wo gibt es Übernachtungsmöglichkeiten, was wollen wir uns ansehen…? Wir sitzen bis spät abends da und planen. Zwischendrin essen wir in der Medina eine Pizza und treffen Wildrik wieder. Wie so oft treffen wir Leute immer zweimal. Wir telefonieren mit Abdou. Jetzt wissen wir sicherer, wann wir in Imlil sein werden. Es passt nicht ganz. Abdou geht am 03. November mit einer Gruppe in die Berge. Dann müssen wir vorher dort sein. Bis Agadir sind es dann noch 10 Tage. Am 13. November ist unser Rückflug. Das sind die Fixdaten. Wir versuchen, die Strecke aufzuteilen und Unterkünfte zu finden. Eine Menge Arbeit, aber das gehört halt jetzt zu unserer Reise dazu. Einfach drauflosfahren können wir nicht mehr.
Magenkrämpfe und tolles Essen
14. Oktober 2024
Sabine wird nachts immer wieder von Magenkrämpfen geweckt. Ein Marokko-Problem. Irgendwann erwischt es jeden. Hoffentlich wird es nicht schlimmer. Morgen und übermorgen haben wir lange Strecken und die Unterkünfte sind schon gebucht. Beim Frühstück hat sie keinen Appetit. Es ist auch nichts besonderes in dem Café, in dem hunderte Wespen auf dem Gebäck sitzen. Wir fahren los. Bergab mit viel Aussicht auf die grünen Berge. Unsere Route heute ist sehr schön. Und wenig befahren. Vor allem am Anfang. Wir freuen uns über die schöne Radfahrstraße und dann hat Sabine einen Platten. Klaus sucht das Leck. Zwei Hirten und 20 Ziegen schauen zu. Ein kleiner Stahlstift steckt im Mantel. Da nützt auch ein Schwalbe Marathon unplattbar nichts. Wir sputen uns. Für nachmittags ist Gewitter gemeldet.
Es gibt keine größeren Orte, nur kleine Siedlungen mit grünen oder blauen Wellblechdächern. Esel sind das Haupttransportmittel. Sie stehen angebunden auf den Feldern zum Grasen. Die Menschen an der Straße sind sehr freundlich. Ob jung oder alt, Handwerker oder Hirte, Mann oder Frau, alle winken uns zu und erwidern unseren Gruß. Salem, Olá oder Bonjour. Wir fühlen uns willkommen in Marokko. Viele Autofahrer grüßen mit einem kurzen Hupen und halten den Daumen hoch. Eine Sache stört uns aber doch. Der Müll. Schon gestern in den blauen Gassen. Und heute am Straßenrand. Alles voller Müll. Und auf dem Seitenstreifen der Straßen fast flächendeckend Glassplitter. Wenn uns ein LKW überholen will, kommt meist ein kurzes Hupen. Das bedeutet für uns: ab in den Seitenstreifen und mitten durchs Glas. Ein kleiner Ort ist besonders krass. Er liegt so fünf Meter über Straßenniveau und im Hang zur Straße liegt der ganze Müll der Bewohner. Sie wohnen auf ihrer Müllhalde.
Am Ende unserer Strecke fahren wir durch Alleen mit riesigen Eukalyptusbäumen. Ihre Stämme sind über einen Meter dick. In der Nähe von Ouezzane haben wir ein Chambre d‘Hôte gefunden. Eine weiße Mauer umgibt es. Wir klingeln an dem Tor. Es öffnet automatisch und wir kommen in einen großen grünen Garten. Der Besitzer empfängt uns freundlich auf Deutsch. Er hat in Aachen mehrere Praktika gemacht. Es ist ein luxuriöses Haus. Überall sind Gitarren, auch der Pool hat die Form einer Gitarre. Das Steckenpferd des Gastgebers. Schwimmen entfällt jedoch. Das angekündigte Gewitter kommt 15 Minuten nach unserer Ankunft mit Starkregen und heftigem Wind. Perfektes Timing. Unser Gastgeber kocht für uns das perfekte Abendessen. Nur aus frischen Zutaten aus seinem Garten. Es ist das beste Essen auf unserer Tour. Und Sabine ignoriert ihre Probleme mit dem Magen.

























