15. Oktober 2024
Tausendmal grüßen uns die Menschen an der Straße. Egal, ob sie dort rumstehen, sitzen, gehen, Auto oder Moped fahren. LKW-Fahrer blenden auf, hupen kurz und halten den Daumen hoch. Autofahrer überholen und rufen Bravo aus dem Fenster. Sie haben alle großen Respekt vor eurer Leistung, meinte gestern Abend unser Gastgeber. Auf jeden Fall freuen sie sich, dass Radfahrer ihr Land bereisen. Die Kinder strahlen uns an und sagen Bonjour. Die Deutschlandfahne erkennen sie sofort. Scheinbar lernen sie in der Schule neben ihrer eigenen Flagge als zweite die von Allemagne kennen. Die Kinder sind heute aber auch unser Problem. Viele sind zu stürmisch. Sie wollen uns abklatschen und rennen uns hinterher. Halten sie Abstand, ist es ok. Ziehen sie jedoch an Klaus Packtaschen oder stellen sich uns in den Weg, wird es für uns heikel. Klaus wird zweimal fast umgestoßen. Vor Schulen ist Achtung geboten. Komischerweise sehen wir die marokkanischen Schüler zu jeder Uhrzeit vor ihrer Schule. Einige kommen, andere gehen. Wann findet denn der Unterricht in den Klassen statt? In Scharen kommen sie auf uns zu. In den kleineren Dörfern gehen viele Kinder scheinbar gar nicht zur Schule. Sie sind schon morgens auf den Feldern. Kaum sind wir in Sichtweite, rennen sie los. Und marokkanische Kinder können schnell rennen. Am Berg haben wir verloren. Ein Junge wirft sogar einen Stein nach uns.
30 Kilometer vor unserem Ziel Volubilis warten nochmals 450 Höhenmeter auf uns. Wir verlassen die Hauptstraße und versuchen unser Glück auf einer kleinen Straße. Beim ersten Anstieg schaffen wir es nur bis zur Hälfte. Dann heißt es Schieben. Oben bietet uns ein Mann Wasser an. Am nächsten Anstieg beginnt es zu regnen. Also anhalten und Regensachen anziehen. Dann ist es zu steil zum Anfahren. Zu Fuß ignorieren uns die Hunde auf dem Feld. Anders als auf dem Rad. Wir können weiterfahren. Hier in diesen Dörfern mit den armseligen Hütten gibt es keine Schulen. Die Kinder müssten zuhause sein, meint Sabine. Doch sie sind nicht in den Häusern, sondern davor. Hat ein Kind uns gesehen, pfeift es alle Kinder im Dorf zusammen und eine regelrechte Hetzjagd beginnt. Sie meinen es nicht böse, freuen sich total, wissen aber nicht, was sie anrichten, wenn sie uns zu Fall bringen. Endlich sind wir oben. Wieder auf der Nationalstraße.
Es geht über einen Höhenrücken des Bergmassivs Zerhoun relativ flach durch Olivenhaine bis Volubilis. Kaum Autos, keine Hunde, keine Kinder, keine Passanten… Wir genießen die Ruhe und den Blick bis zum Mittleren Atlas. Die Fahrt war heute ziemlich aufregend, umso schöner ist ihr Abschluss. In Volubilis gibt es eine große Ausgrabungsstätte mit antiken römischen Tempeln, Wohnstätten und Mosaiken. Ein UNESCO Weltkulturerbe. Wir machen ein Foto und fahren weiter. Besichtigung morgen? Inschallah! Nach 90 km und 1000 hm möchten wir lieber direkt in unser Chambre d’hôte. Die Ferme Walili. Hier in der Nähe müsste sie sein. An einem verschlammten Feldweg. Wir finden sie zuerst nicht. Die Zufahrt ist vollständig von nassem Lehm bedeckt, von dem heftigen Regen gestern. Überall in Marokko gab es Unwetter. Sogar in der Sahara hat es nach 10 Dürrejahren das erste Mal geregnet. Wir werden freundlich empfangen und bekommen ein Abendessen der Extraklasse. Es gibt hier riesige Palmen, Zedern, Katzen, Hühner, Pfauen… und absolute Stille. Eine Oase nach dem aufregenden Radfahrtag.
Königsstadt Meknès
16. Oktober 2024
Bisher kennen wir von den sogenannten Königsstädten Marokkos nur Marrakech. Mitten durch Meknès führt unsere Strecke sowieso. Dann können wir auch dort übernachten und die Stadt besuchen. Unsere heutige Radstrecke ist dann wesentlich kürzer als gestern. Doch zuerst geht es wieder über die verschlammte Einfahrt unserer Ferme hoch. Es hat heute Nacht wieder heftig geregnet. So ausreichend, dass unsere Räder und Schuhe total mit Lehm verkleben. Mit Stöckchen kratzen wir es so gut es geht ab. Auf der Nationalstraße entfernen wir den getrockneten Schlamm.
Von unserem höchsten Punkt haben wir Aussicht bis Meknès und die Berge des Mittleren Atlas. Schade, dass wir die Höhe nicht halten können. Durch drei Flusstäler runter und wieder rauf. Und dann kommt die Stadtdurchfahrt. Immer bergauf. Und höllisch Verkehr. Bestimmt 10 Kilometer. Meknès ist wohl die kleinste der Königsstädte, hat aber über 600 000 Einwohner. Wir haben ein Riad, ein typisches marokkanisches Haus, mit Garten -für die Räder-, etwas außerhalb gefunden. Mit dem Taxi fahren wir in die Medina. Leider wird das größte und prächtigste Stadttor Marokkos Bab Mansour gerade renoviert und ist eingerüstet. Meknès bezaubert durch seine riesigen Mauern um die Medina, die Königspaläste, Koranschulen und Moscheen. Es ist ein Bild wie aus 1000 und 1 Nacht. Vor allem, weil auch der Kalif Storch zu Hunderten in der Stadt angekommen ist. Überall auf den Mauern sitzen Störche und klappern. Etwas zerrupft von ihrem langen Flug sehen sie schon aus. In den insgesamt 40 km langen Mauern nisten Stare und Schwalben. Schade, dass wir nicht hinter die riesigen Mauern der Königsstadt schauen können. Dahinter ist heute eine Militärakademie und ein riesengroßer Golfplatz. Wahrscheinlich fliegen die Störche schon seit Jahrhunderten in genau diese Gärten der Königsstadt, die im 17. Jh. von 30 000 Sklaven gebaut wurde. Von Moulay Ismail, der viel Platz für seine 500 Frauen und 50 000 Pferde brauchte.
Wir besichtigten das Mausoleum, das Grabmal des ehemaligen Herrschers Moulay Ismails. Sogar in die angeschlossene Moschee dürfen wir rein. Sehr imposant und prunkvoll. Die Medina erstaunt uns. Sie ist in einem einheitlichen Stil erhalten und eher ruhig. Hier leben die Menschen noch in traditioneller Art und Weise. Die Souks sind voller Menschen. Aber kaum von Touristen besucht. Hier gehen die Einheimischen einkaufen. Vor allem Textilien, Schuhe, Obst und Gemüse, aber auch Kunsthandwerk, Haushaltswaren… Alles was fürs tägliche Leben gebraucht wird. Touristische Souvenirs gibt es kaum. Es ist mächtig was los. Scheinbar geht ganz Meknès heute Nachmittag shoppen. Der Hauptplatz der Medina der Place El Hedim füllt sich am Abend. Es gibt Gaukler, Geschichtenerzähler, fliegende Händler und Essensstände mit teilweise für uns exotischen Snacks. Wir haben uns entschieden, in unserer Unterkunft zu essen. Das ist besser für empfindliche europäische Mägen. Die Frau des Nachtportiers kocht für nur uns ein typisches marokkanisches Menu mit Tajine nach Meknès-Art. Lecker!

























