19. Oktober 2024
Bis Azrou, unserem nächsten Etappenziel, sind es nur 20 Kilometer. Es gibt aber auch einen längeren Umweg mit vielen vielen Höhenmetern. Bis zu einer Höhe von 1974 m über dem Meeresspiegel. Unser höchster Punkt bisher. Wir wollen uns das Skigebiet von Ifrane nicht entgehen lassen. Von einem Pass aus können wir bis zu den höchsten Gipfeln im Mittleren Atlas schauen. Wir fahren abwechselnd durch Zedernwald und über steinige Hochebenen. Hier gibt es nur riesige Schaf- und Ziegenherden. Und Landschaft so weit das Auge reicht. Das Skigebiet ist am höchsten Punkt mitten im Zedernwald. Durch die Bäume sehen wir zwei einfache Tellerlifte. In den Alpen kaum noch zu finden. Das Skiresort ist auch in der schneefreien Zeit abgeriegelt und bewacht. Nur die vielen Berberaffen können dort rein und raus.
Wir sind begeistert von der Straße. Hier fährt kaum ein Auto. Nur ein paar organisierte Motorradtouren gibt es. Wir biegen auf die Hauptstraße nach Azrou ab. Dort haben wir eine Unterkunft mit Blick über die Stadt und das Tal. Doch zuerst müssen wir steil bergab. Durch Zedernwald. Zu schnell können wir nicht rollen lassen. Ab und an läuft ein Affe über die Straße. Kleine Äffchen spielen Fangen in den Bäumen. Verrückt. Am Abend genießen wir von unserer Terrasse die Abendsonne und die schöne Aussicht.
Begegnungen
20. Oktober 2024
Was wir gestern runter gefahren sind, klettern wir heute wieder rauf. Aber dann ist es wunderschön. Wir sind auf einer kurvenreichen Panoramastraße. Durch Eichen und Zedern haben wir immer wieder tolle Blicke über ein breites Tal und Berge. Hier fahren so gut wie keine Autos. Es gibt wieder nur Affen und ein paar arme Hunde. Plötzlich sehen wir am Himmel hunderte Adler über uns hinweg fliegen. Alle fliegen in die gleiche Richtung. Viele kreiseln, um Höhe zu gewinnen. Viele sind so niedrig, dass wir ihre weißen Schnäbel und Köpfe und das schwarz-graue Gefieder gut erkennen können. Es ist ein atemberaubendes Erlebnis. Sabine steht da und hat Gänsehaut. Die Adler sind wie die Störche auf ihrem Weg in den Süden. Wir stehen minutenlang da und staunen. Bis sie über die Berge verschwinden.
Wir fahren ab in ein weites Tal. Hier gibt es Plantagen mit Kirschbäumen. Das sieht während der Blütezeit im Frühjahr bestimmt toll aus. Jetzt sind sie etwas vertrocknet. Und dann wieder rauf. Genauso hoch wie am Morgen. Und wieder in den Wald. Ein Schäfer kommt uns entgegen und grüßt: Bonjour, vous êtes bienvenu en Maroc. Wie nett, niemand hat uns bisher in einem Land auf der Straße so herzlich willkommen geheißen. Wir fotografieren die Bäume und ein Autofahrer hält an: Vous êtes en Coeur de Maroc. Ihr seid im Mittleren Atlas, dem Herzen von Marokko. Doch im Herzen von Marokko werden viele Menschen mit ihrem schweren Los alleine gelassen.
Auf den Hochebenen zwischen den Wäldern gibt es nur Steine. Dazwischen grasen Ziegen, Schafe und Esel. Anbau von Lebensmitteln ist nicht möglich. Wir fahren vorbei an armseligen Behausungen aus Plastikfolie, umgeben von Zäunen aus abgestorbenem Holz. Das Wasser muss aus Brunnen herbeigeschleppt werden. Kinder stehen am Straßenrand und betteln uns an. Oder sie versuchen Brot und Eier an die Autofahrer zu verkaufen. Es gibt hier keine Dorfschulen und keine Schulbusse. Die Kinder haben keine Chance in ihrem Leben.
Ein paar Kilometer vor dem Lac Ouiouane beginnt eine Baustelle. Der Asphalt wurde weggefräst. Wir müssen über eine staubige Schotterstraße. Der See ist ein Ausflugsziel. Ganze Busladungen von Menschen werden dort hingebracht. Warum verstehen wir nicht. Der See ist jetzt im Herbst fast leer und voller Algen. Dahinter ist glücklicherweise wieder eine vernünftige Straße. Die Dörfer sehen immer noch arm aus, haben aber kleine Moscheen und winzige Dorfschulen. Am Straßenrand bieten Frauen Fladenbrote an. Sie backen sie direkt an der Straße in kleinen Lehmöfen. Wir fahren bis zur Quelle des größten Flusses Marokkos, dem Qued Oum-Er-Rbia.
Oberhalb der Quelle ist unsere einfache Auberge. Wir duschen uns den Staub von Haut und Haaren und gehen zur Quelle. Mächtig viel Wasser strömt hier. Leider ist der reißende Fluss völlig zugebaut mit kleinen Hütten und Terrassen. Besucher können dort direkt am Fluß Tee und Tajine genießen. In Souvenierläden gibt es allerlei Kitsch. Viele Menschen versuchen hier irgendwie Geld zu verdienen. Der Besuch einer Hütte mit Plumpsklo kostet 2 Dirham, einer Grotte, einem Loch im Fels, 5 Dirham. Da investieren wir unsere 5 Dirham sinnvoller und kaufen bei einer Frau ein Fladenbrot direkt aus dem Lehmofen. Es schmeckt super. In unserer Auberge hören wir die ganze Nacht den mächtigen Fluß rauschen. Sonst nichts. Die vielen Besucher haben diesen bedeutenden Ort schon längst verlassen.



















