20. Februar 2025
Wir wollen einen Kiwi sehen. In der freien Natur ist das nicht möglich. Kiwis sind nachtaktiv. Im Kiwi Park Queenstown sind die Uhren für Kiwis umgestellt. Sie bekommen tagsüber künstliche Dunkelheit in ihrem Vogelhaus und nachts Tageslicht. Wir fahren acht Kilometer mit dem Rad zum Kiwihaus. Wir haben Glück. Die nächste Führung beginnt gleich. Im Kiwihaus dauert es lange, bis sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Doch dann sehen wir alle drei Kiwis. Sie stochern mit ihren langen Schnäbel in der Erde und in totem Holz. Sie gehören zu den flugunfähigen Vögeln. Warum könnt ihr unten in der Māori-Sage nachlesen. Im Bird Park gibt es noch andere endemische Vögel. Einige davon haben wir schon in freier Natur gesehen. Ein Highlight des Parcs dürfen wir noch erleben, die Brückenechse Tuatura. Sie ist ein lebendes Fossil, weil sie Überlebende einer genetischen Spezies ist, die es vor 150 Millionen Jahre zur Zeit der Dinosaurier gab.
Queenstown ist eine lebendige Stadt, die für ihren Abenteuertourismus und Extremsport bekannt ist. Hier wurde das Bungee-Jumping erfunden. Was uns auch gleich angeboten wird. Wir lehnen ab mit der Begründung, wir wären vielleicht zu alt dafür. Wir könnten auch wählen zwischen Downhill Biking, Paragliding, Jetboot fahren, Zippline… Wir fahren einfach Rad. Auf dem Rückweg bemerkt Klaus, dass sein Lenker blockiert. Das Head Set ist finished. Wir fragen in vier Radläden nach einer Reparatur. Fehlanzeige. Sie haben nur Teile für Downhill Bikes. Im fünften haben wir Glück. Der nette Fahrradmechaniker versucht alles, um das Rad zu reparieren. Es dauert etwas, aber am Ende funktioniert es. Wir fahren die acht Kilometer zu unserem Campingplatz zurück und werden nass. Hauptsache Klaus kann normal lenken.
Eine kleine Geschichte: Wie der Kiwi seine Flügel verlor
Eines Tages ging Tanemahuta (Gott, Wächter des Waldes) durch den Wald. Er schaute hinauf zu seinen Kindern, den Bäumen, die sich zum Himmel reckten, und bemerkte, daß sie begannen krank zu werden, weil sie von Käfern zerfressen wurden. Er sprach mit seinem Bruder Tanehokahoka, der sogleich alle seine Kinder, die Vögel des Himmels, zusammenrief. Tanemahuta sprach zu ihnen:
“ Etwas verzehrt meine Kinder, die Bäume. Ich brauche einen von euch, der aus den Baumkronen herunter kommt und fortan auf dem Boden lebt, so daß meine Kinder und auch eure Heimat gerettet werden können. Wer will kommen?“
Alles war still, und kein Vogel gab einen Laut.
Tanehokahoka wandte sich an Tui (Flötenvogel):
„He, Tui, willst du vom Blätterdach herunterkommen?“ Tui schaute an den Bäumen hinauf und sah das Sonnenlicht durch die Blätter sickern, er sah hinunter zum Waldboden und sah die kalte, dunkle Erde und schüttelte sich. „Nein, Tanehokahoka, es ist zu dunkel und ich fürchte mich vor der Dunkelheit.“
Alles war still, und kein Vogel gab einen Laut.
Tanekohakoha wandte sich an Pukeko (Sumpfhuhn): „Pukeko, willst du herunterkommen?“
Pukeko sah an den Bäumen hinauf und sah das Sonnenlicht durch die Blätter sickern, er sah hinunter zum Waldboden und sah die kalte, dunkle Erde und schüttelte sich. „Nein, Tanekohakoha, es ist zu feucht, und ich möchte nicht, daß meine Füße nass werde.“
Alles war still, und kein Vogel gab einen Laut.
Tanehokahoka wandte sich an Pipiwharauroa (Kuckuck) : „Pipiwharauroa, willst du vom Dach des Waldes herunterkommen?“ Pipiwharauroa schaute an den Bäumen hinauf und sah das Sonnenlicht durch die Blätter sickern. Pipiwharauroa schaute sich um und sah seine Familie an.
„Nein, Tanehokahoka, ich bin im Moment damit beschäftigt, mein Nest zu bauen.“
Alles war still, und kein Vogel sprach.
Die Traurigkeit im Herzen Tanehokahokas war groß, weil er wußte, daß nicht nur sein Bruder seine Kinder verlieren würde, wenn keines seiner Kinder aus den Baumkronen herunterkommen wollte. Auch die Vögel hätten dann keine Heimat mehr.
Tanehokahoka wandte sich an Kiwi:
„He, Kiwi, willst du vom Blätterdach herunterkommen?“ Kiwi sah an den Bäumen hinauf und sah das Sonnenlicht durch die Blätter sickern. Kiwi schaute sich um und sah seine Familie an. Kiwi schaute zur kalten, feuchten Erde. Nachdem er sich noch einmal umgeschaut hatte, wandte er sich an Tanehokahoka und sagte:
„Ich will.“ Die Freude in den Herzen von Tanehokahoka und Tanemahuta war groß, denn dieser kleine Vogel gab ihnen Hoffnung. Doch Tanemahuta mußte Kiwi auch warnen vor dem, was geschehen würde.
„He, Kiwi, bevor du dies tust, solltest du dir im Klaren sein, was geschieht. Du wirst dick und plump werden, du wirst starke Beine und Zehen bekommen mit denen du Holzscheite am Boden auseinanderreißen kannst, du wirst deine wunderschönen bunten Federn und deine Schwingen verlieren und du wirst nie mehr in die Baumkronen zurückkehren können. Du wirst nie mehr das Tageslicht sehen.“
Alles war still, und kein Vogel gab einen Laut.
„He, Kiwi, willst du vom Dach des Waldes herunterkommen?“
Kiwi warf einen letzten Blick auf die Sonnenstrahlen, die durch die Bäume flimmerten und sagte ihnen leise Lebewohl. Kiwi warf einen letzten Blick auf die anderen Vögel, auf ihre Schwingen und ihre bunten Federn und sagte allem ein leises Lebewohl. Nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte, wandte er sich an Tanehokahoka und sagte: „Ich will.“
Dann wandte Tanehokahoka sich an die anderen Vögel und sprach:
„He, Tui, weil du dich so sehr gefürchtet hast herunterzukommen, sollst du von nun an zwei weiße Federn an deiner Kehle tragen, die dich als Feigling ausweisen.
Pukeko, weil du dir deine Füße nicht nass machen wolltest, sollst du für immer im Sumpf leben.
Pipiwharauroa, weil du zu beschäftigt warst, dein Nest zu bauen, wirst du von nun an niemals wieder ein Nest bauen, du wirst deine Eier in anderer Vögel Nester legen.
Aber du Kiwi, weil du ein großes Opfer gebracht hast, sollst der bekannteste und der am meisten geliebte Vogel von allen sein.
Quelle: http://www.maori.org.nz
Über die Crown Range
21. Februar 2025
Tausend Höhenmeter erwarten uns heute. Am Stück. Wir müssen über die Berge nach Wanaka. Beim ersten Abschnitt meiden wir die Straße. Sie führt in steilen Serpentinen nach oben und ist stark befahren. Es gibt einen Radweg. Der ist anfangs noch fahrbar, aber dann geht er ebenfalls extrem steil nach oben. Ohne Serpentinen . Dafür mit Gravel, dicken Kieselsteinen, Furchen und im Schnitt 17 bis 18 % Steigung. Sabines Räder drehen durch. Dann halt Schieben. Zweieinhalb Kilometer weit. Klaus fährt meistens, nur im losen Kies muss auch er absteigen. Wir wären verrückt, meint ein Spaziergänger. Ja, sind wir. Doch es gibt für Radfahrer keine andere Option. Und wir müssen da rauf. Der Radweg endet an der Straße. Wir haben eine tolle Aussicht bis zu unserem Campingplatz, wo wir heute morgen gestartet sind.
Doch nicht lange können wir die Aussicht genießen. Der zweite Anstieg naht. Er ist noch steiler als der Radweg und das über fast drei Kilometer. Sabine schiebt, Klaus fährt. Aber nicht viel schneller. Mit ca. 4 km/h kämpft er sich den Berg hoch. Manche Autos fahren sehr knapp an ihm vorbei. Sabine kann nicht hinsehen. Dann schaut sie doch nach vorne und sieht eine Radtasche im Straßengraben. Klaus hat in seinem Schneckentempo zu sehr geschwankt und ist in den Kies am Straßenrand geraten und gestürzt. Nicht schlimm, aber glücklicherweise kam gerade kein Auto von hinten. Endlich kommen wir auf der Passhöhe Crown Range Summit an, auf 1.076 m. Es ist die höchste asphaltierte Straße Neuseelands. Die Aussicht ist grandios. Wir essen unsere Brote und freuen uns auf die Abfahrt bis Wanaka. Dort schauen wir uns noch den berühmten Wanaka Tree an. Er ist ein beliebtes Fotomotiv besonders von Asiaten. Die Landschaft am See ist so schön, doch fotografiert wird ein mickriges Weidenbäumchen, das fast im Wasser steht.
Gegen den Wind
22. Februar 2025
Gemeldet ist Südwind, doch der Wind kommt aus dem Norden. Uns direkt entgegen. Wir wollen zum Ende des Wanaka Lake. Dazu müssen wir zuerst zum Hawea Lake queren. Wir wählen den Radweg. Viele Mountainbiker nutzen ihn für eine Wochenend-Radtour. Für unsere Räder ist er an vielen Stellen nicht geeignet. Wieder einmal. Das Experiment Radweg in Neuseeland ist damit gescheitert. Am Hawea Lake gibt es sowieso nur noch die Straße entlang des Sees. Sie hat einige Steigungen, aber unser Hauptproblem ist heute der Gegenwind. Wir kommen einfach nicht voran. Den ganzen Tag im Schneckentempo.
Es wird auch nicht besser, nachdem wir über einen Pass wieder an der Uferstraße des Lake Wanaka sind. Oft schaffen wir nur 10 km/h. So langsam waren wir noch nie. Da kann auch die atemberaubende Landschaft uns nicht mehr aufmuntern. An den zerfetzten Wolken sehen wir, wie stark der Wind bläst. Wir haben keine Lust mehr. Die letzten Kilometer gehen dann noch schnurgerade und leicht bergauf gegen den Wind. Endlich sehen wir unser Ziel. Eine Lodge mit kleinen Hütten und einem Restaurant. Die einzige Unterkunft auf einer Strecke von fast 140 km. Geschafft.




















