Regenzeit

02. April 2025

Die Neuseeländer freuen sich über den Regen. Sogar im Radio wird er begrüßt. Kein Wunder. Die Regenfässer sind leer. Es hat wenig geregnet in den letzten Wochen. Unser Glück. Doch nun herrscht Wasserknappheit. Die meisten Häuser auf dem Land und in kleinen Städten versorgen sich nur mit Regenwasser. Der Zeitpunkt ist für uns nicht so schlimm. Wir sitzen im trockenen Auto, die Räder sind im Kofferraum. Zwei bis drei Tage soll es durchregnen. Mehr oder weniger heftig. Im Abel Tasman Nationalpark, wo wir bei 30 Grad mit dem Kajak gepaddelt sind, werden pro Stunde 25 mm Regen gemeldet. Starker Regen beginnt schon bei 2 mm/h.

Unser erstes Ziel ist heute das Kauri Museum in Matakohe. Hier wucherte mal ein undurchdringlicher grüner Busch. Mit uralten Baumriesen wie Kauri, Totara, Rimu oder der Nikau Palme. Heute finden wir in Matakohe keine Spuren mehr davon. Nicht einmal urtümliche Baumfarne. Alles weggehauen. Zugunsten einer eintönig langweiligen Weidelandschaft. Der ganze Norden war bis vor etwas mehr als 100 Jahren ein Kauri Wald. Kauriholz gehört zu den besten Holzarten der Welt. Und es wurde in Neuseeland und in Übersee verbaut. Für Schiffe, Häuser, Möbel, Zäune, Brücken… Gleichermaßen wichtig war sein Harz. Kauriharz ist der neuseeländische Bernstein. Für die Kolonisten und Siedler stellten die Urwälder des Nordlandes ausschließlich eine wirtschaftliche Ressource dar. Welche Rolle der Kauribaum in der Māori-Kultur spielt, interessierte sie nicht. Auch in dem Museum gibt es wenig darüber. Im Mittelpunkt des Museums steht die abenteuerliche Geschichte der Pioniere, die sich im 19. Jahrhundert aufmachten, um die Baumriesen zu fällen und zu verarbeiten.

Wir fahren weiter in die Kauriwälder. Die Māori haben die letzten verbliebenen Wälder unter Schutz stellen lassen, bevor auch sie dem Kommerz zum Opfer fielen. Der Trounson Kauri Park ist ein kleines Waldgebiet inmitten von Feldern mit weidenden Kühen und Forstwirtschaftsflächen. Seit 1995 steht er unter Schutz. Auch der dort lebende Brown Kiwi. Wir müssen an einer Eingangsstation unsere Schuhsohlen abbürsten und desinfizieren. Es gibt ein Pathogen, das die Wurzeln der Kauris infiziert und ihre Fähigkeit, Wasser zu transportieren, verhindert. Die über 1000 Jahre alten Bäume sterben ab. Über die Schuhe können die Bakterien auf den Waldboden übertragen werden. Da helfen auch die Kiwis nicht mehr, die, einer Legende nach, ihre Flugfähigkeit aufgegeben haben, um den Wald zu retten.

Wir bleiben mit unseren sauberen Schuhen auf den befestigten Wegen. Mitten im dichten üppigen Unterholz aus Büschen, Farnen, Moosen, Flechten, Lianen und Epiphyten (Schmarotzer, die auf den Bäumen wachsen) stehen mächtige Bäume. Mit meterdicken Stämmen. Die größten Kauris haben einen Stammdurchmesser von drei bis vier Metern. Der Stamm ist eine mächtige astlose Säule. Nur die oberen Äste bilden eine Krone. Wir sind fasziniert und stellen uns vor, was diese Bäume in den über 1000 Jahren so alles erlebt haben. Ihre Vorfahren stammen aus der der Jurazeit vor 140 bis 190 Millionen Jahren. Wir sind allein in dem Wald. Nur der Tui begleitet uns.

Auf dem Campingplatz haben wir wegen dem Regenwetter eine Cabin. Hier gibt einen Lehrpfad mit den wichtigsten neuseeländischen Bäumen und Sträuchern. Und Aale im Fluss. Sie heißen Longfin Eel und sind endemisch. Sie werden bis zu 100 Jahre alt und bis 2 m lang. Sie schwimmen als junge Fische vom Pazifik hoch in die Flüsse des Inlandes. Dort verbringen sie ihr langes Leben. Dann kehren sie in den pazifischen Ozean zurück, laichen und sterben. In Neuseeland wachsen alle eingeführten Spezies schnell und vermehren sich rapide, wie Kiefern und Possums. Die alten einheimischen Arten hingegen wachsen ganz langsam und werden uralt. Und freuen sich über den Regen.

Kauri-Forest

03. April 2025

Von allen Kauriwäldern ist der Waipoua Forest der bekannteste und gleichzeitig das größte Schutzgebiet der Baumgiganten. Hier befinden sich zwei Drittel der noch vorhandenen Kauribäume. Mitten durch dieses Gebiet führt der State Highway 12. Eine enge kurvige Straße ohne viel Verkehr und mit Ausblicken auf Kauribäume direkt am Straßenrand. Sie wäre auch mit den Rädern toll gewesen, aber nicht heute in dem Regen. Wir wollen zu den beiden größten Kauris. Ein Waldweg führt zum Te Mātua Ngahere, dem Vater des Waldes. Er gilt als zweitgrößter aber dickster Kauri. Er ist 30 m hoch und hat einen Stammumfang von 16,41 m. Eine nette Māori weist uns in die Regeln ein. Doch wir kennen sie ja schon von gestern. Wir wandern eine halbe Stunde durch den Wald. Dann stehen wir vor dem Father of the Forest. Er ist gigantisch. Sein Stamm hat 5 m Durchmesser. Voller Ehrfurcht bestaunen wir den auf 2500 Jahre und älter geschätzten Baum. Ein Lebewesen, das seit Beginn unserer Zeitrechnung und länger existiert. Unbeschreiblich.

Zu dem zweiten Kauri, dem Tane Mahuta oder Gott des Waldes, kommen wir nach weiteren fünf Kilometern. Er steht fast neben dem Highway. Bei schönem Wetter und in der Hauptsaison ist hier sicher viel los. Heute sind wir fast alleine. Der Tane Mahuta ist über 2000 Jahre alt. Er ist 51,2 m hoch und hat einen Stammumpfang von 13,77 m. Er ist der größte bekannte Kauri. Und er ist in der Mythologie der Māori sehr bedeutend. Er gilt als Schöpfer des Lebens und ist der Urahne der Māori. Alle Menschen stammen von ihm ab. Die Māori erzählen sich dazu die Legende von Papa und Rangi. Kurz gefasst: „ Papa und Rangi , Vater Himmel und Mutter Erde lagen eng umschlungen, sie bekamen immer mehr Kinder. Diese hatten zwischen ihren Eltern keinen Platz mehr für sich. Sie planten, die Eltern auseinander zu zwingen oder zu töten. Schließlich beschloss Tane Mahuta, der Gott der Wälder, die beiden zu trennen. Er richtete sich auf und stemmte sich zwischen die Eltern. Den Vater schob er in den Himmel und die Mutter in die Erde. Seitdem kommt Licht auf die Erde“.

Heute aber hängt Vater Himmel ziemlich tief. Es regnet immer mehr. Wir fahren zu einem Motel in der Nähe von Waitangi. Wir bekommen ein Upgrade und schauen von unserem Apartment auf das tolle Flusstal des Waitangi River. Mittlerweile gibt es landesweite Unwetterwarnungen. Die Meteorologen erwarten 450mm Starkregen. Mehr als in einem ganzen verregneten Monat.

Wir stimmen uns im Museum auf die Kauri-Wälder ein…
… und werden beeindruckend empfangen.
Aus einem Stamm ausgeschnitten füllt das Kauriholz den ganzen Saal aus.
Die Stammdurchmesser der größten Baumriesen sind aufgezeichnet.
Bitte vergrößern: Was haben die Kauri alles erlebt?!
Das ist kein Gold, was da glitzert…
… faszinierendes Lichtspiel auf geschliffenem Kauriholz.
Kunstwerke!
Moderne Kunst!
Kauri-Bernstein
Jetzt geht’s in den Kauri-Wald, aber bitte mit Vorsicht…
… bitte desinfizieren!!
Wir tauchen in den Wald ein…
… entdecken den ersten Riesen im Urwald…
… und staunen nur noch mit Genickstarre.
Immer nach oben!
Die Rinde eines Kauri.
Zipline auf dem Campingplatz
Und nochmal Zipline
Im Fluss, der die Campsite umfließt,…
… entdecken wir die Longfin Eel.
Die frechen Enten haben keinen Respekt vor den Riesen-Aalen.
Im Regen im Regen-Kauri-Wald
Eingeübte Blickrichtung…
… um weitere Mammutbäume zu sehen.
Der älteste und dickste Kauri: Te Mātua Ngahere.
Und der größte Kauri: Tane Mahuta
Blick in die 450 mm-Regenfront aus unserem trockenen Motel!