28. April 2023
Wir kommen spät los. Zunächst heißt es im Apartment einen Platten flicken. In Klaus Vorderreifen ist keine Luft mehr. Dann fahren wir noch in die Innenstadt. Ein neues Handy kaufen. Ein billiges chinesisches muss vorerst reichen. Ein neues IPhone gibt’s nochmal zuhause. Endlich können wir los. Nach ein paar Kilometern biegen wir von der Küste in die Berge ab. Geopark Psiloritis steht auf dem Hinweis an der Straße. Es geht in das Massiv mit dem höchsten Berg Kretas. Er ist über 2400m hoch. Ganz so hoch müssen wir nicht. Trotzdem ist ein Pass von 500 Höhenmeter für uns mit den schweren Rädern kein Pappenstiel. Insgesamt werden es an dem Tag 1200 hm. Die Landschaft entschädigt uns für die Anstrengung.
Wir fahren durch Karstgebirge mit grünen und gelb blühenden Sträuchern. Immer wieder sehen wir bis zum Meer. Außer ein paar Betonautos überholen uns nur wenige Fahrzeuge. Es gibt kleine Dörfer, Ziegen und Schafe. Kreta zeigt hier sein schönstes Gesicht. Wir genießen die Abfahrt bis zum Meer. Leider zeigt Kreta hier sein hässliches Gesicht. Touristenburgen an Touristenburgen, Souvenirläden, Imbissbuden, Tavernen, am Strand Sonnenschirm an Sonnenschirm… Massentourismus per excellence. Unser Campingplatz liegt in einem grünen Abschnitt irgendwo dazwischen. Dass es hier so eine grüne Idylle noch gibt, hätten wir nicht erwartet. Glück gehabt.
29. April 2023 – Schluchtenwandern
Der Campingplatz erscheint uns sicher genug, um unser gesamtes Hab und Gut hier einen Tag unbeaufsichtigt stehen zu lassen. Um uns herum campen nur nette Leute. Wir stehen früh auf und mieten uns ein Auto. Wir wollen zur Südküste. Und in einer der unzähligen Schluchten wandern. Die Anfahrt ist schon 93 km lang und geht über einen 1000m hohen Pass. Mit dem Rad wäre dies als Tagestour, hin und zurück plus Wanderung, unmöglich. Die Autofahrt ist schon atemberaubend. In unendlich vielen Serpentinen geht es hinunter ans Meer und dann noch steiler wieder hinauf. Bis zu einer Brücke aus Stahl mit Holzplanken, die fast 200m über die Aradenaschlucht führt. Durch diese Schlucht wollen wir wandern. Nicht durch die berühmtere Samiraschlucht, die von allen Reiseveranstaltern angepriesen wird und täglich tausende Besucher hat. Sie öffnet auch erst am 1. Mai.
Wir parken an der Brücke, dem Ziel unserer Tour. Zuerst müssen wir zum Meer hinunter. Über Bergpfade und Serpentinen einer schmalen Straße geht es steil nach unten. Gut dass wir zu Fuß unterwegs sind. Zwei PKWs sind in einer Kurve zusammengestoßen. Sie haben Glück gehabt. Es gibt keine Leitplanken und es geht neben der Straße senkrecht nach unten. So steile enge Kurven haben wir noch selten gesehen. Unser erstes Ziel ist der Marmara-Beach. Über eine ca. 100 m hohe Kletterpassage kommen wir nach unten. Es ist ein feiner Kiesstrand mit Kalksteingrotten eingefasst. Das Wasser ist kristallklar. Kurz Schwimmen muss sein. Einfach weiter gehen, wäre schade. Hinter dem Strand beginnt die Schlucht. Ihre steilen Felswände sind über 200m hoch. Oft ist sie nur ca. 20 m breit. Das ausgetrocknete Bachbett aus Kies ist voll von blühenden Oleandersträuchern. Wir sind allein. Das Meckern von ein paar Ziegen hören wir an den Wänden widerhallen. Sie müssen acht geben. Die Wände sind auch für gute Kletterer wie sie zu steil. Etliche skelettierte Ziegenkadaver liegen in der Schlucht. Sie sind abgestürzt. Über uns kreiseln Bart- oder Gänsegeier mit bestimmt 2 m Spannweite. Es ist fast gespenstig.
Wir treffen auf der ganzen Strecke nur ca. 10 Leute. Es ist anstrengend. Es gibt viele Kletterpassagen, bei denen wir auch unsere Hände zu Hilfe nehmen müssen. Fast 800hm müssen wir in der Schlucht überwinden. Die Schlüsselstelle ist eine Stahlleiter mit bestimmt 30 Stufen. Sabine geht die ersten Stufen nach oben, doch dann muss sie passen. Die Abstände zwischen den Tritten sind zu groß. Ihr Knie müsste genau die Belastung aushalten, die sie beim Rad fahren schon seit letztem Jahr vermeidet. Aus der Beugung anspannen geht immer noch nicht. Glücklicherweise gibt es hier einen Plan B. Ein steiler ausgesetzter Pfad führt um die Schlüsselstelle herum. Schade für Klaus, er wäre gerne über die Leiter hoch. Nach etlichen Kilometern sind wir unter der Brücke. Wenn ein Auto drüber fährt, rumpelt es über die Holzplanken. Im Sommer gibt es hier einen 135m Bungeesprung. Nichts für uns.
Über einen alten Maultierpfad geht es wieder nach oben. Vor Bau der Brücke war das die einzige Möglichkeit durch die Schlucht zu kommen. Auf einer Seite runter und auf der anderen Seite wieder hoch. Durch eine verlassene Siedlung geht es zurück zum Mietwagen. Hätten die Bewohner gewusst, dass irgendwann mal eine Brücke gebaut wird, wären sie nicht weggezogen. Die Lage im Nationalpark Pedres ist einmalig. Sechs Stunden waren wir unterwegs. In einer kleinen Taverne trinken wir noch einen Cappuccino. Dann müssen wir zurück. Eigentlich schade. Es ist für uns bisher der schönste Abschnitt Kretas. Wir bringen das Auto zurück. In einem Restaurant mit kreativer kretischer Küche essen wir zu Abend. Es ist schon längst dunkel, als wir wieder am Zelt sind. Ein toller Tag auf Kreta.
30. April 2023 – Nach Chania
Zu Beginn unserer heutigen Strecke sehen wir wieder das, was wir uns als Urlaub nicht vorstellen können. Hotel an Hotel, davor eine Straße am Meer und weite mit Liegen und Sonnenschirmen möblierte Strände. Doch hier können wir wenigstens noch ungefährdet Rad fahren. Weiter geht es über eine schmale Straße neben der Autobahn. Dann hört sie auf. Wir müssen auf dem schmalen, ca. 50 cm breiten Seitenstreifen auf der Autobahn weiterfahren. Sie ist wohl jetzt keine mehr, aber die Griechen registrieren das nicht. Spaß haben wir dabei nicht.
Wir sind heilfroh, als wir endlich auf die Old National Road ausweichen können. Sie ist ruhig und führt durch grüne Täler und Wälder. Es gibt hier noch ursprüngliche Dörfer mit kleinen Tavernen, Marktplätzen und bunten Kirchen. Leider geht es so nicht bis Chania. Irgendwann gibt es nur noch die eine stark befahrene Straße. Und dann noch eine Baustelle mit Einbahnverkehr, von der Polizei geregelt. Wir dürfen vor den Autos herfahren. Wir rasen bergab. Überholen kann uns hier keiner. Gut dass es bergab geht. Der Campingplatz in Chania liegt in einem Olivenhain. Unser zweitletzter Stopp auf Kreta.

















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