14. August 2022
Am Abend zuvor haben Klaus und Olly aus Rostock die heutige Strecke geplant. Mit Komoot und Google Maps suchen sie nach Alternativstrecken zur stark befahrenen E4. Olly überlegt, trotz seines gefährlichen Erlebnisses vor ein paar Tagen, für einige Kilometer die Schnellstraße zu nutzen um abzukürzen. Ein LKW hat ihn an einer Stelle ohne Seitenstreifen an die Leitplanke gedrängt, so dass seine rechte Packtasche beschädigt wurde. Aber nur die Packtasche. Ein Sturz hätte fatale Folgen.
Wir wollen die E4 meiden und wählen eine Route an der Küste entlang. Sie führt über abgelegene Straßen und Kiefernwald hügelig und kurvig an Seen vorbei. Die Ostsee sehen wir nur selten. Die Straße ist wunderschön und wird von den Schweden scheinbar gern zum Sonntagsausflug genutzt. Sie fahren hier mit ihren Cabrios spazieren, ein älteres Ehepaar mit Ferrari-Mützen passiert uns gleich viermal. Cabriowetter in Nordschweden ist sicher eine Ausnahme. An einem Badplats machen wir Rast und essen unsere Brote, die wir uns morgens immer fertig machen. Sabine nutzt die Pause zu einem Bad im See. Danach sind die vielen Ausflügler auch verschwunden, sie sitzen sicher längst irgendwo auf einer Terrasse vor einem rot-weißen Holzhaus beim Nachmittagskaffee. Wir radeln immer noch, jetzt auf Gravelroads. Unsere heutige Strecke von ca. 75 km ist für Triathleten oder E- Bike-Fahrer sicher nicht der Rede wert. Auch wir fahren diese Streckenlänge sonntags vor dem Kaffeetrinken mit unseren Gravelbikes oder Rennrädern. Doch hier bewegen wir zwei schwere Tourenräder mit Gepäck, wir transportieren mit unserer Muskelkraft über 90 kg Gewicht, beide Räder zusammen gerechnet. Dann noch kilometerweit unbefestigt, also ähnlich wie im heimischen Wald. Wir verpassen den Sonntagskaffee. Jenni überholte uns irgendwo, scannte unseren QR-Code und hatte uns über unser Gästebuch eingeladen. Wir waren leider schon zu weit.
Endlich im Zielort angekommen, hat der Mini-Supermarkt geschlossen. Es ist Sonntag. In einer kyrkstad, einer Kirchenstadt aus dem 16. Jahrhundert , finden wir eine Campingmöglichkeit. Und ein dazugehöriges Restaurant. Das erste Mal auf unserer Tour lassen wir uns verwöhnen. Es ist schließlich Sonntag.
Hinweis: Es gibt in Schweden unzählige dieser Kyrkstads. Früher wurden die Menschen dazu gezwungen, in die Kirche zu gehen. Doch viele wohnten weit weg. Deshalb bot der Kyrkstad ihnen die Möglichkeit, bei der Kirche zu übernachten. Gleichzeitig machte man Dorfbewohner aus vielen unterschiedlichen Gemeinden miteinander bekannt und trug so zur Vermeidung von Inzucht bei. Der Kyrkstad war gewissermaßen auch ein Heiratsmarkt.
15. August – Radfahren in Schweden
Es gibt Radwege in Schweden. In jedem kleinen Ort, so weit wie Kinder aus den am weitesten abgelegenen Häusern bis zur Schule fahren müssen. Nicht weiter. In größeren Städten gibt es ein vorbildliches Radwegenetz. Mit Vorfahrt für Radfahrer, Unterführungen unter Hauptstraßen, Beleuchtung und Winterräumung. Es gibt auch Radfernwege, jedoch nur mäßig ausgeschildert. Bleiben für unsere Durchquerung von Schweden nur die Landstraßen. Um die Hauptstraße zu umfahren, müssen wir weite Umwege in Kauf nehmen. Heute zum Beispiel 12 km Gravelroad statt 1 km E4. Aber was soll’s. Gerne nehmen wir die Umwege bis in den kleinen Ort Ratan in Kauf. Und wenn wir am Ende auf einem Campingplatz am Meer freudig begrüßt werden, als Radfahrer sogar kostenfrei übernachten können, von Maria und Franz-Josef zum Essen eingeladen werden und abends mit netten Leuten am Lagerfeuer sitzen, war dies allemal alle Umwege wert.
16. August 2022 – 30,8 Grad
Schwedischer Sommer kann richtig heiß sein. 30, 8 Grad zeigt unser Fahrradtermometer in der Sonne an. Fast schon zu heiß. Das sind wir nicht mehr gewöhnt. Im Freibad der Stadt Umeå herrscht Hochbetrieb, der benachbarte See lädt zum Baden ein und mitten in der Stadt ist fast Mittelmeerflair. Nur schwer vorstellbar, dass hier monatelang alles verschneit ist. Wir kommen heute ohne Gravelroads gut voran. Doch irgendwann macht sich die Hitze bemerkbar. Nach über 1600 km in etwas über 2 Wochen werden wir plötzlich schlagartig müde. Sind wir hier nicht vor kurzem erst vorbei gefahren? Vor uns Wald, hinter uns Wald, rechts Wald , links Wald. Gibt es nichts anderes als Wald? Man muss Wald schon mögen, wenn man durch Schweden fährt. Wir mögen ihn, auch wenn wir am dem einen Baum schon mal vorbeigefahren sind. Am Ende liegt der Campingplatz am heutigen Abend auch noch im Wald und nicht, wie erhofft, an der Ostsee. Aber ein milder schwedischer Sommerabend im Wald ist auch sehr reizvoll.











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