18. Oktober 2022
Sarahs Abschied verzögert sich. Sie möchte, dass Klaus noch ihre Schaltung genauer einstellt. Doch auf einmal ist alles verstellt. Sie startet mit einer Stunde Verzögerung. Bis zu ihrem geplanten Ziel schafft sie es dann am Ende nicht, doch sie findet noch einen Campingplatz zum Übernachten. Wir starten auch verspätet in Richtung Süden. Wir finden immer noch Radwege an Kanälen entlang. Doch von Bella Italia keine Spur. Die Landschaft ist öde und langweilig. Nur abgeerntete Felder und kleine Orte und Höfe mit teilweise zerfallenen Häusern, in denen vermutlich keiner mehr wohnt. Doch hinter dem zerfallenen Teil gibt es dann doch noch Gärten mit Ansammlungen von Blumentöpfen. Es riecht an den halb ausgetrockneten Kanälen nach brackigem Wasser. Und es wimmelt von Mücken. Tausende von millimetergroßen Mücken, Fliegen und Moskitos. Seit Lappland wurden wir nicht mehr so genervt. Wir kramen unser Antibrumm aus den Tiefen der Radtaschen hervor. Es ist heiß: 26 Grad. Scheinbar nur für uns. Die Italiener*innen tragen Winterjacken. Auch Radfahrer kommen uns mit dicken Wintertrikots, langen Hosen, langen Handschuhen und Ohrenwärmern entgegen. Wir schwitzen.
Endlich erreichen wir den Po. Er hat nochmal einiges an Wasser. Im Sommer war er fast komplett ausgetrocknet. Die Poebene gehörte zu den trockensten Gegenden Europas. Wenn wir durch Orte fahren, geht es zwei dreimal um eine Kurve und dann wieder schnurgeradeaus auf die Landstraße. Und jedesmal denken wir, dass wir vor kurzem schon mal da waren. Immer das gleiche Bild: braunes Feld rechts, braunes Feld links, Telefon- und Stromleitungen und die gleiche holprige Straße mit Längsrillen und Schlaglöchern. So schlechte Straßen hatten wir noch nirgends. Die Poebene gehört sicher nicht zu den Highlights unserer Tour. Wir sind genervt. Nachdem wir in Mirandola endlich unser Apartment gefunden haben, fahren wir in der Dunkelheit los, um noch was fürs Abendessen einzukaufen. Wenigstens das Apartment passt zu Bella Italia, die heutige Strecke eher nicht.
19. Oktober 2022 – Durch die Poebene nach Bologna
Richtig motiviert starten wir heute nicht. Es ist wieder Poebene angesagt. Doch wir finden unseren Radweg EV 7, die Sonnenroute, die Ciclovia del Sole. Zum ersten Mal seit fast 6000 km wird unser Radweg so benannt und ausgeschildert. Eine Sonne auf dem Asphalt zeigt uns alle 100 m den richtigen Weg. Bis Bologna ist er gut ausgebaut, verläuft meistens auf einer alten Bahnstrecke und hat eine gute Infrastruktur mit Sitzplätzen, Reparaturstationen, Wasserstellen… Wir kommen gut voran. Unsere Etappe ist heute auch nicht so lang.
Doch mit der Durchfahrt durch Bologna haben wir so nicht gerechnet. Zwei Stunden brauchen wir für die 15 km bis zum Campingplatz am anderen Ende der Stadt. Der EV 7 ist ausgeschildert. Kreuz und quer durch die Stadt. Die Radwege sind schmal und holprig. Unzählige Rillen, Löcher und Holper. Manche Mountainbike-Trails sind besser zu fahren als die Radwege in Bologna. Und dauernd Stop and Go. Die Ampeln sind immer rot. Im Zentrum fahren wir dann plötzlich inmitten von hupenden Vespas, Straßenbahnen und Autos. Italienischer Straßenverkehr eben. Nur wir passen da nicht rein. Und unsere Klingeln kommt gegen die Hupen nicht an. Die Abgase rauben uns den Atem.
Aus unserem Sightseeing wird eine Ich-war-da-Visite. Wir wollen nur noch raus zu unserem Campingplatz. Auch nach einem Supermarkt suchen wir nicht mehr. Essen können wir im Restaurant des Campings. Sarah ruft an. Sie hat es nicht ganz bis zu ihrem Ziel, dem Timmelsjoch, geschafft. Nach 3700 Höhenmetern muss sie auf halber Strecke bis zum Pass campieren. Sie fragt in einem Ort, wo sie ihr Zelt aufbauen kann und findet einen Carport, in dem sie auch ohne Zelt die Nacht verbringen kann. Wir sind froh von ihr zu hören. Die Poebene haben wir abgehakt, doch durch Bologna müssen wir morgen nochmal. Dann geht es in die Apenninen.
20. Oktober 2022 – In die Apenninen
Klaus wählt einen vermeintlich besseren Weg durch Bologna. Das GPS zeigt längere durchgehende Radwege. Doch nicht die vielen Ampeln, an denen wir halten müssen. Es ist immer Rot. Eine grüne Welle ist unbekannt. So möchten wir nicht morgens zur Arbeit fahren. Die Bolognesi fahren bei Rot. Wir warten brav. Und kommen nicht vorwärts. Mitten in Bologna machen wir die 6000 km voll. Wir halten an und machen ein Foto. Der Weg aus Bologna heraus geht über einen Radweg am Fluss Reno entlang. Er wird plötzlich zu einem steilen Singletrail. Bis zur Brücke über den Reno müssen wir schieben. Wir wechseln auf die Straße neben der Autobahn. Wir könnten auch die Autobahn benutzen, denn auf unserer Straße ist genauso viel Verkehr. Wenigstens gibt es einen Seitenstreifen. Nur noch ein paar Kilometer und wir fahren auf eine untergeordnete Straße. Das Verkehrsaufkommen bleibt, es gibt jedoch keinen Seitenstreifen mehr. PKWs und LKWs brausen eng an uns vorbei.
Ein Schild weist auf einen Radweg hin. Ist der EV 7 hier doch schon fertig? Es ist ein nicht asphaltierter Weg, der mit EU-Fördergeldern hergestellt wurde. Er ist einigermaßen gut befahrbar. Doch dann gibt es nur noch dicke Kieselsteine als Belag. Mit Reiserädern nicht mehr befahrbar. Wieder ist Schieben angesagt. So werden EU- Gelder verschwendet. Keiner kontrolliert, was damit geschieht. Wir wollen nicht schieben sondern fahren. Also wieder Wechsel auf die Straße. Wieder höllischer Verkehr. Wir haben die Nase voll. Noch über 2000 km bis Malta auf solchen Straßen? Sollen wir uns das antun? Bella Italia enttäuscht uns. Doch dann finden wir es doch noch.
Wir wechseln auf eine kleinere Straße. Nach einer Brücke ist dann die Welt wieder in Ordnung. Ein kleines Örtchen mit Burg und eine ruhige Nebenstraße. Alte Männer sitzen vor der Bar und spielen Karten. Ein Tuktuk-Fahrer wünscht uns gute Reise und winkt freudig. Endlich sind wir in Bella Italia. Bis zum Stausee in den Apenninen geht es nun steil bergauf. Aber mit wenig Autoverkehr. Kurz vor dem Campingplatz gehen wir in ein Alimentari einkaufen. Klaus radebrecht mit seinem begrenzten italienischen Wortschatz mit der netten Verkäuferin und Sabine lauscht derweil draußen den Kirchenglocken, die das Volkslied Die Gedanken sind frei spielen. In den Apenninen ist die Welt noch in Ordnung.


























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