30. Oktober 2022
Heute genießen wir die ersten 25 km. Wir fahren an Olivenplantagen vorbei durch kleine Dörfer. Die Wahl der Straße ist scheinbar richtig. Viele Rennradfahrer, nur Männer, kommen uns entgegen. Es ist am Sonntag eine beliebte Radstrecke. Wir kommen zur Via Appia Antica. Seitlich neben dem Asphalt ist noch altes römisches Pflaster zu erkennen. Bis Terracina fahren wir auf Seitenstraßen, dann gibt es nur noch die Hauptstraße. Es ist zu steil für Nebenstraßen. Na gut. Es muss halt sein.
Bei dem tollen Wetter herrscht reger Ausflugsverkehr. Alle Parkplätze zu Stränden unterhalb der Straße sind belegt. Doch auch am Sonntag können die Italiener*innen nur rasen. Wir passen da mit unseren Tourenrädern nicht hin. Trotzdem müssen wir irgendwie weiter. Es gibt außer uns ganze Rennradgruppen, denen der Verkehr scheinbar egal ist. Eine entspannte Radausfahrt auf dieser Strecke ist das sicher nicht. Wir fahren hochkonzentriert. Streckenweise gibt es einen schmalen Randstreifen. Unsere einzige Kommunikation sind die Warnhinweise von Sabine an Klaus. Neben pass uff a Loch gibt es auch noch: Welle, Holper, Kaule, Glas, auf die Straße wechseln… wir unterhalten uns prächtig. Die Landschaft der steilen Küstenstraße können wir nicht genießen. Unser Blick geht immer nur nach vorne auf die Straße, alles andere ist zu gefährlich, denn das nächste Loch wartet schon. Zweimal machen wir halt für ein Foto. Es gibt tolle Strände, Felsküste und glasklares blaues Meer.
Doch die Idylle trügt. Direkt vor uns ist Müll, Müll und noch mehr Müll. Grauenhaft! Wir sind sprachlos und wütend. Und die Tunnels auf unserer Strecke sind noch eine besondere Herausforderung. Sie sind unbeleuchtet und die Autos rasen knapp an uns vorbei. Wir müssen uns ganz schön zusammenreißen. Als dann noch Motorradfahrer mit höllischem Lärm und überhöhtem Tempo an uns vorbei rasen, steht unser Entschluss fest: bis Neapel und nicht weiter. Wir verlassen den Eurovelo 7 und werden schon in Neapel die Fähre nach Sizilien nehmen. Wir denken, dass wir auf Sizilien unsere Radreise dann wieder genießen können.
Die weitere Strecke nach Gaeta bestätigt uns in unserem Entschluss. Wir stehen im Stau, atmen nur noch Abgase ein, es ist laut… Mit Radfahren hat das nichts mehr zu tun. Glücklicherweise haben wir unsere Unterkunft in einem ruhigeren Badeort gewählt. Wir können noch zum Strand und das erste Mal im Mittelmeer schwimmen. Wir freuen uns auf das Baden im Meer von Sizilien und Malta.
31. Oktober 2022 – Wo sind wir hier gelandet?
So haben wir uns Süditalien nicht vorgestellt. Zuerst geht es heute noch ganz gut. Wir haben ruhige Seitenstraßen gefunden und können die Hauptstraße umfahren. Klaus ist ganz begeistert: endlich eine Straße ganz für uns alleine. Zu früh gefreut. Zwei Hunde liegen auf der Straße und als wir vorbei fahren stürzt eine ganze Meute von 6 bis 7 Hunden bellend und knurrend aus dem Gebüsch und rennt uns nach. Sabine: gib Gas! Wir sprinten so gut es mit den schweren Rädern geht. Die Hunde geben auf. Glück gehabt. Eine weitere Straße haben wir auch ganz für uns alleine. Sie ist wegen einer Baustelle gesperrt. Wir hoffen, dass wir durchfahren können. In Schweden hat man uns immer durchgewinkt. Nicht so die Italiener. Nein geht nicht. Wir sollen zurück. Mehrere Kilometer Umweg nur wegen einer 50 m langen Baustelle. Klaus erkundet einen Weg über ein Feld. Dann schieben wir eben über den Acker. Sabine holt sich wohl am scharfen Schilfgras ein blutiges Knie, aber halb so wild. Hauptsache vorbei.
Dann kommt das Unvermeidliche. Es gibt nur noch die Hauptstraße, die Via Domiziana, und einen erneuten Kulturschock für uns. Wir fahren ca. 30 km nur durch bebautes Gebiet. Rechts und links der vierspurigen Straße vergammelte Häuser, zerfallene Häuser, überall Müll, jedes Stückchen Grün ist umzäunt, Rinder auf Feldern voller Mist… Es sieht schlimmer aus als in den ärmsten Regionen Marokkos, durch die wir schon gefahren sind. Wir fühlen uns trotzdem dorthin versetzt, wir sehen fast nur noch Menschen nordafrikanischer Herkunft. Sie arbeiten als Erntehelfer auf den italienischen Plantagen. Wir sind froh, nicht in dieser Gegend eine Unterkunft gebucht zu haben. Hier hätten wir uns nicht aus dem Haus getraut. Endlich biegen wir ab zum Meer. Nur schade, dass wir es nie sehen. Riesige Mauern trennen die Straße von Clubanlagen mit Pförtner an der Einfahrt. Dahinter können nur betuchte Menschen die Strände besuchen. Offene Zugänge zum Meer gibt es nicht. Es stört scheinbar auch nicht, dass auf der anderen Straßenseite wieder nur Ansammlungen von Müll zu sehen sind. Uns stört es gewaltig. Und bestärkt uns in unserem Beschluss, die Fähre nach Sizilien zu nehmen. Wo sind wir hier gelandet?
Nur unser Tagesziel in Cuma versöhnt uns wieder etwas mit Süditalien. Es gibt sie doch noch: die kleinen Paradiese. Unser Gastgeber Piero heißt uns sehr herzlich willkommen, ist begeistert von unserer Tour und zeigt uns stolz sein Anwesen. Es ist eine grüne Oase mit Mandarinen- und Avocadobäumen, Palmen, üppigen Topfpflanzen, Meerblick und zutraulichen Katzen. Liebevoll gestaltet mit selbstgemalten Kunstwerken, die etwas an Frieda Kahlo erinnern. Wir dürfen im Garten sitzen, die Küche benutzen und so viele Mandarinen essen wie wir wollen. Wir atmen durch und fühlen uns wohl. Es ist schön nach der anstrengenden Fahrt hier gelandet zu sein.




























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